„Stereotype und Unwissen über diese Bevölkerungsgruppe halten sich bis heute. Um so wichtiger ist dieses Buch, das wirklich allen ans Herz zu legen ist, die sich für das Thema interessieren. Es ist unterhaltsam geschrieben, setzt kein Vorwissen voraus und lässt eine Generation von Zeitzeug:innen zu Wort kommen, deren Erfahrungen es wert sind, endlich Gehör zu finden.“
Unsere Lesung mit Gespräch und Musik im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung in Berlin, am 10. Juli 2024
Am 10. Juli 2024 sprach der Musiker und Bürgerrechtler Romeo Franz gemeinsam mit der Autorin Alexandra Senfft im Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung über das Leben seiner Familie seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die in Preußen beheimatete Familie musste während der NS-Zeit fliehen. Der Geigenbogen des in Auschwitz ermordeten Großonkels Paul führt als roter Faden durch die Erzählung. Akribische historische Recherchen und Familienerinnerungen prägen diese mitreißende Chronik unter Einbeziehung der vielfältigen Geschichte der europäischen Sinti und Roma – ein starkes Zeugnis von Widerstand, Selbstbestimmung und Erfolg sowie eindrückliches Plädoyer gegen Diskriminierung und Rassismus. Der Abend wurde von Dr. Gundula Bavendamm, Direktorin Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung, eröffnet und begann mit einer historischen Einführung von Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal. Das sich anschließende Gespräch zwischen Alexandra Senfft und Romeo Franz wurde von Jana Mechelhoff-Herezi, Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Leitung Erinnerung an Sinti und Roma, Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, moderiert. Den musikalischen Rahmen des Abends gestaltete das Sunny Franz Duo, mit Romeo-Manolito Franz an der Geige und Sascha Reinhardt an der Gitarre.
Mein Co-Autor , Romeo Franz, im Interview über unser gemeinsames Buch „Großonkel Pauls Geigenbogen. Die Familiengeschichte eines preußischen Sinto“, in: SWR LEUTE, 30.6.24
Romeo Franz komponierte die Melodie, die im Berliner Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma zu hören ist, und spielte sie mit dem Geigenbogen seines in Auschwitz ermordeten Großonkels ein. Nach ihm ist auch sein Buch „Großonkel Pauls Geigenbogen“ benannt, dessen Co-Autorin Enkelin eines NS-Verbrechers ist: „Das Buch ist entstanden im Bewusstsein, dass ‚Nie wieder‘ unsere gemeinsame Aufgabe ist.“
Der Sinto Romeo Franz, Jahrgang 1966, dessen Familie aus Preußen und Pommern stammt, schildert in „Großonkel Pauls Geigenbogen“ seine Familiengeschichte, die Alexandra Senfft akribisch recherchiert und aufgeschrieben hat. Das Buch versteht sich als ein Plädoyer gegen Diskriminierung, ein Thema, das gerade angesichts der rechtsextremen Pläne einer sogenannten „Remigration“ sehr aktuell ist.
„Diese Geschichte ist mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen verwoben… Trotz aller Rückschläge und des Erbes der NS-Verfolgung gibt Franz tiefe Einblicke in seine Familiengeschichte und baut Brücken für besseres gegenseitiges Verstehen. Die Erzählung ist insgesamt beeindruckend zugewandt und lebensbejahend. Sie zeigt auf, wie vielfältig die Lebensrealitäten der Menschen mit Romanes-Hintergrund jenseits der Vorurteile sind.“ BücherMagazin, 4/2024
Ein Beitrag von Igal Avidan auf Bayern 2 Kulturleben ab Minute 14:23
Über unser Buch „Großonkel Pauls Geigenbogen. Die Familiengeschichte eines preußischen Sinto“, erschienen bei Goldmann/Penguin im März 2024 und über die Rettung des Denkmals für die ermordeten Sinti und Roma Europas 23. April 2024 >> anhören BR 2
Sinto Romeo Franz im Interview: „Infam und ehrlos, wie Bahn und Senat versuchen, unseren Widerstand zu überwinden“ Andrea Dernbach im Tagesspiegel, 22. April 2024
Andrea Dernbach: Sie sind Sohn, Enkel und Neffe von Opfern und Überlebenden, Ihre Ko-Autorin die Enkelin eines Täters. Alexandra Senffts Großvater Hanns Ludin – sie hat es in einem Buch über ihre eigene Familiengeschichte aufgeschrieben – war als Vertreter Deutschlands in der Slowakei eine Schlüsselfigur der Judenvernichtung. Was hat das für Ihre gemeinsame Arbeit bedeutet?
Romeo Franz: Das hat uns zusammengeschweißt. Das Buch ist entstanden im Bewusstsein, dass „Nie wieder“ unsere gemeinsame Aufgabe ist. Wir haben aufgeschrieben, was der Nationalsozialismus weit über die zwölf Jahre seiner Herrschaft hinaus zerstört hat, über Generationen hinweg. Und dass es das nicht wieder geben darf.
Sinti und Roma Der 8. April erinnert an eine Geschichte voller Diskriminierung. Und zeigt eine vielfältige Community voller Leben Mein neuer Beitrag zum Thema Sinti und Roma in Deutschland der Freitag, Ausgabe 15/2024 vom 11. April 2024 >> zum Beitrag der Freitag.de
Roma in der EU und europäischen Politik Die Betroffenheit durch Diskriminierung eint alle Roma in Europa. Sie haben kaum eine politische Lobby. Wie könnte sich die Situation verbessern? von Jean-Philipp Baeck. taz, 7. April 2024
Romeo Franz’ Familie hat Verfolgung, Vertreibung und Mord erlebt — steht aber auch für Widerstand und das Überleben. Wie aus dieser Geschichte ein Buch wurde, erzählt Co-Autorin Alexandra Senfft
taz, 8.4. 2024
taz: Frau Senfft, Sie haben selbst aus der Perspektive der NS-Täter geschrieben – wegen Ihrer eigenen Familiengeschichte. Wie vertraut war Ihnen die Perspektive der Opfer?
Alexandra Senfft: Ich habe mich in den vergangenen Jahrzehnten schon sehr intensiv mit den jüdischen Perspektiven beschäftigt. Durch den Arbeitskreis für intergenerationelle Folgen des Holocaust, in dem ich als Vorstand wirke, bin ich im Austausch mit den Nachkommen der Täter und Täterinnen, der Mitläufer und Mitläuferinnen – und den Nachkommen der Verfolgten, Opfer und Überlebenden.