Ignorierte Opfer

Sinti und Roma kämpfen weiter um die Erinnerung an den NS-Völkermord

Dem Historiker Eberhard Jäckel wird nachgesagt, 1995 in Diskussionen über ein zu schaffendes Denkmal für Sinti und Roma gefrotzelt zu haben, dann könne man genauso gut ein Denkmal gegen das Morden vonWalen fordern. Es war auch Jäckel, der noch 2005 insistierte, auf den Denkmalstafeln das »Z-Wort« zu benutzen: »In ihrer 500jährigen Geschichte und auch in der NS-Zeit, auf die es hier ankommt, wurden die Zigeuner niemals und von niemandem ›Sinti und Roma‹ genannt«. Der Historiker wusste offensichtlich nicht, dass Sinti und Roma das Z-Wort untereinander nie benutzen, ja dass dieses Wort in ihrer Sprache, dem Romanes, überhaupt nicht existiert. Er ignorierte auch, dass die Selbstbezeichnung »Sinti und Roma« öffentlich längst etabliert war. Das Z-Wort war von jeher eine Fremdbezeichnung, die die Nazis für ihre Politik der Verfolgung und Vernichtung verwendeten – in Auschwitz tätowierten sie ihren Opfern das Z in die Haut. Bis heute ist es »ein Schimpf- und Schmähwort«, das eine äußerst heterogene Minderheit krude auf einen Nenner reduziert und deren Mitglieder beleidigtund verletzt. Viele »Gadje« (Romanes für Menschen aus der Dominanzgesellschaft) halten rücksichtslos an der Z-Bezeichnung fest, nicht zuletzt, wenn es um ihr Schnitzel oder die ungarische Sauce geht.

Forum Wissenschaft 1/2025 17.03.2025: Umkämpfte Erinnerung?

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Sinti

Opfer zweiter Klasse?

Denkmal für Sinti und Roma Europas vom Bau einer S-Bahn-Trasse bedroht

Ungerührt beschloss der Berliner Senat im Dezember 2023 den Bau der besagten Trasse: Mobilität vor Erinnerung an die Opfer der Nazis. Als handele es sich beim Denkmal der Sinti und Roma um eine beliebige städtische Fläche. Man stelle sich den Aufschrei vor, das Denkmal für die ermordeten Juden Europas wäre auf ähnliche Weise unter Angriff geraten. Sinti und Roma gilt offenbar weniger Respekt.

in: Informationen der Lagergemeinschaft Dachau, Nr. 53/2025, S. 9 f.