Befreiung von Buchenwald: Wer bestimmt, wie wir gedenken?

Der israelische Philosoph Omri Boehm mahnt zur friedlichen Koexistenz in Israel. Nun wurde er auf Druck der Regierung Netanjahu von der Befreiungsfeier des KZ Buchenwalds ausgeladen. War das richtig?
der Freitag, 10. April 2025
>> zum Artikel

Im Fokus der Erinnerung stehen hierzulande meist nur die Opfer, während die Täter:innen in den eigenen Familien meist ausgeblendet bleiben. Die Nazi-Verbrecher, das waren die „Anderen“. Mitunter ist das Gedenken in akademisch oder politisch korrekt gehaltene Reden gegossen, die die familiäre Beteiligung aussparen und die emotionalen Implikationen auf Abstand halten. Ein ritualisiertes Gedenken ohne persönlichen Bezug entkoppelt sich moralisch und intellektuell leicht von der Gegenwart. Dabei geraten die Opfer und die Überlebenden mit ihren Nachkommen zu Objekten, vereinnahmt für die eigene Entlastung. Wie authentisch ist also das, was wir als Gedenkkultur bezeichnen?

Ignorierte Opfer

Sinti und Roma kämpfen weiter um die Erinnerung an den NS-Völkermord

Dem Historiker Eberhard Jäckel wird nachgesagt, 1995 in Diskussionen über ein zu schaffendes Denkmal für Sinti und Roma gefrotzelt zu haben, dann könne man genauso gut ein Denkmal gegen das Morden vonWalen fordern. Es war auch Jäckel, der noch 2005 insistierte, auf den Denkmalstafeln das »Z-Wort« zu benutzen: »In ihrer 500jährigen Geschichte und auch in der NS-Zeit, auf die es hier ankommt, wurden die Zigeuner niemals und von niemandem ›Sinti und Roma‹ genannt«. Der Historiker wusste offensichtlich nicht, dass Sinti und Roma das Z-Wort untereinander nie benutzen, ja dass dieses Wort in ihrer Sprache, dem Romanes, überhaupt nicht existiert. Er ignorierte auch, dass die Selbstbezeichnung »Sinti und Roma« öffentlich längst etabliert war. Das Z-Wort war von jeher eine Fremdbezeichnung, die die Nazis für ihre Politik der Verfolgung und Vernichtung verwendeten – in Auschwitz tätowierten sie ihren Opfern das Z in die Haut. Bis heute ist es »ein Schimpf- und Schmähwort«, das eine äußerst heterogene Minderheit krude auf einen Nenner reduziert und deren Mitglieder beleidigtund verletzt. Viele »Gadje« (Romanes für Menschen aus der Dominanzgesellschaft) halten rücksichtslos an der Z-Bezeichnung fest, nicht zuletzt, wenn es um ihr Schnitzel oder die ungarische Sauce geht.

Forum Wissenschaft 1/2025 17.03.2025: Umkämpfte Erinnerung?

>> Link zum Heft

Sinti