Großonkel Pauls Geigenbogen

Die Familiengeschichte
eines preußischen Sinto
Romeo Franz,
Alexandra Senfft

ca. 304 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
inkl. Abbildungen
24,- € [D] │24,70 € [A] │CHF 32,90
ISBN: 978-3-442-31707-3
20. März 2024
Goldmann/Random House, Penguin
> Leseprobe book2look
> bestellen



Romeo Franz ist der erste Sinto im Europäischen Parlament. In Großonkel Pauls Geigenbogen erzählt er gemeinsam mit Alexandra Senfft über das Leben seiner Familie vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute. Geprägt von der Liebe zur Musik und dem großen Zusammenhalt in der Familie ist das Buch eine mitreißende Chronik der Sinti und Roma von großer erzählerischer Kraft über Widerstand, Selbstbestimmung und Erfolg sowie zugleich ein eindrückliches Plädoyer gegen Diskriminierung und Rassismus.

Seit mehr als 600 Jahren leben Sinti in Deutschland, Roma seit 200 Jahren. Ihre Kultur reicht viele Jahrhunderte zurück und ist tief mit der deutschen Historie verwoben. Anfangs noch als Handwerker, Künstler und Kaufleute hochgeachtet, wurden sie schon bald systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen und verfolgt. Bis heute halten sich diskriminierende Stereotype und starke Vorurteile gegenüber der größten Minderheit Europas. Der preußische Sinto Romeo Franz kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte von Sinti und Roma. In Großonkel Pauls Geigenbogen erzählt er nun seine beeindruckende deutsche Familiengeschichte, in der schillernde Charaktere, starke Frauen und außergewöhnliche Schicksale ans Licht treten – aber auch die Erinnerungen an Ausgrenzung, Abwertung im Kaiserreich und schließlich die Vernichtung durch die Nazis und der Neuanfang der Überlebenden.

In Großonkel Pauls Geigenbogen beleuchtet Romeo Franz nicht nur die Bedeutung von Musik, Familie und Widerstand, sondern auch die Folgen der fortgesetzten Verfolgung, die bis in die heutigen Generationen nachwirken. Mit ihrem Buch laden Romeo Franz und Alexandra Senfft dazu ein, sich mit der Geschichte der Menschen mit Romanes-Hintergrund auseinander zu setzen und mit ihren Leser:innen in einen Dialog zu treten.

Die Autoren

Romeo Franz, 1966 in Kaiserslautern geboren, stammt aus einer deutschen Sinti-Familie und ist Musiker und Politiker. Franz setzt sich seit vielen Jahren für die Rechte der Menschen mit Romanes-Hintergrund ein und war von 2003 bis 2013 stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands deutscher Sinti und Roma in Rheinland-Pfalz sowie Mit-Begründer und Generalsekretär der Bundesvereinigung der Sinti und Roma (BVSR). Seit 2010 ist er parteipolitisch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aktiv. Als erster deutscher Sinto zog er 2018 in das Europäischen Parlamentes ein. Romeo Franz lebt in der Nähe von Speyer. Wenn sein politisches Mandat es erlaubt, tritt der passionierte Jazzmusiker mit seinem 1991 gegründeten Romeo Franz Ensemble auf.

Alexandra Senfft, geboren 1961 in Hamburg, ist Publizistin und Autorin. Seit 1994 schreibt sie regelmäßig für deutsche und internationale Medien. Für ihr Buch »Schweigen tut weh. Eine deutsche Familiengeschichte« (2007) über das NS-Erbe ihrer mütterlichen Familie erhielt Senfft den Deutschen Biografiepreis. Senfft ist stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises für Intergenerationelle Folgen des Holocaust, Mitglied im Präsidium der Lagergemeinschaft Dachau und des PEN Berlin. Sie lebt in Oberbayern und auf einer griechischen Insel.
Photo: Alexandra Senfft und Romeo Franz © Pascal Bünning

Fünf Fragen an Romeo Franz und Alexandra Senfft

Herr Franz, Sie sind Musiker mit einem eigenen Jazz-Ensemble, Grünen-Abgeordneter im Europäischen Parlament und setzen sich seit vielen Jahren für die Rechte der Menschen mit Romanes-Hintergrund ein. Was ist das verbindende Element bei Ihren vielfältigen Interessen?
Als Musiker aber auch als Politiker und Bürgerrechtsaktivist bin ich mit meiner Tätigkeit auf der Bühne sichtbar und kommuniziere mit den Menschen. Politiker und Musiker haben einiges gemein: Sie sollten empathisch sein und die Reaktionen des Publikums deuten können, um es mitzunehmen und ein Thema politisch oder musikalisch fühl- und greifbar zu machen. Ich will Menschen motivieren, zu Engagement und Selbstbestimmung anregen.
Sie selbst bezeichnen sich als preußischen Sinto. Wie hat Sie das Erbe Ihrer Vorfahren beeinflusst und wie haben Ihre Ahnen wiederum Preußen geprägt? Und was bedeutet die größte Minderheit Europas für die Mehrheitsgesellschaft heute?

Die Geschichte meiner Vorfahren, die Erzählungen meiner Großmütter und Großonkel haben mich schon als Kind geprägt. Meine Identifikation als preußischer Sinto gibt mir das Gefühl, mit meinen Vorfahren innig verbunden zu sein. Durch meine politische Arbeit, besonders aber als Abgeordneter des Europäischen Parlaments, sind mir die Menschen mit Romanes-Hintergrund in Europa noch vertrauter geworden, was meine Wahrnehmung von der größten europäischen Minderheit verändert hat. Ihre Diversität und Vielfalt sind mir früher nicht so bewusst gewesen. Der starke Einfluss, den wir auf die kulturelle Entwicklung Europas hatten und haben, ist bisher eher totgeschwiegen worden. Hier eröffnet sich ein neues Gebiet für die Wissenschaft, das ist reicher Stoff für Aufklärung und Umdenken. Wir waren von jeher Teil der deutschen und europäischen Gesellschaften, es ist an der Zeit, dass wir mehr aufeinander zugehen, so wie Alexandra Senfft und ich das getan haben.

Ihr Buch erzählt von einer außergewöhnlichen Familie, von Unterdrückung und Verfolgung und ist zugleich die Geschichte eines großen Erfolgs, nicht zuletzt Ihres ganz persönlichen. Was können wir alle daraus lernen?
Vorurteile und Rassismus gefährden nicht nur den gesellschaftlichen Frieden massiv, sondern verhindern, dass sich das eindrucksvolle Potential, das eine vielfältige Gesellschaft bietet, entfalten kann. Der Hass, den tradierte Feindbilder erzeugen, schadet letztendlich auch der Mehrheitsgesellschaft über Generationen hinweg. Ich engagiere mich für eine wertschätzende Gesellschaft, in der Sinti und Roma noch aktiver eingebunden sind und als gleichberechtigte Bürger gewürdigt werden. Trotz der leidvollen Erfahrungen meiner Familie und der Sinti und Roma insgesamt, sind wir resilient und tragen konstruktiv zu dieser Gesellschaft bei, und zwar nicht nur kulturell. Meine Erfolgsgeschichte ist ja kein Einzelfall. Ich will darstellen, wozu wir fähig sind und andere Sinti und Roma ermutigen, sich ebenfalls selbstbewusst zu zeigen.

Frau Senfft, für Ihre Aufarbeitung der NS-Geschichte Ihrer Familie sind Sie ausgezeichnet worden. Ihr Großvater mütterlicherseits Hanns Ludin war als Gesandter Nazi-Deutschlands mitverantwortlich für die Verfolgung und Ermordung der Juden und vermutlich auch der Roma in der Slowakei. Was war die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit an dem Buch und was die größte Überraschung?
Die intensiven Recherchen zum Buch waren ebenso herausfordernd wie aufregend. Aus dem Überlieferten und Erforschten dann eine packende Erzählung zu entwickeln, war anspruchsvoll, aber auch erfüllend, weil ich die Vorfahren von Romeo Franz, vor allem die Opfer des NS-Völkermords, literarisch wieder zum Leben erwecken konnte.

Das Aufschreiben seiner Familiengeschichte öffnete mir die Augen. Ich begriff, dass ich trotz all meiner Beschäftigung mit der Vergangenheit viel zu wenig über die komplexe Geschichte der Sinti und Roma wusste, dass ich selbst mitunter Klischees im Kopf hatte. Für diese Ignoranz habe ich mich teils fast geschämt. Umso erschrockener war ich, zu erleben, wie tief der Antiziganismus bei den meisten Menschen sitzt und wie unreflektiert er ist. Und wie wenig über Sinti und Roma bislang geforscht wurde. Es liegt noch unendlich viel Material herum, das dringend auf Bearbeitung wartet. Ich bin sehr dankbar, viel gelernt zu haben und fühle mich durch dieses Wissen und den Kontakt zu Romeo und anderen Sinti und Roma sehr bereichert.

Frau Senfft, Herr Franz, Ihr Buch ist nicht nur eine Familienchronik, sondern zugleich ein Appell an alle Menschen, sich solidarisch zu zeigen. Was ist Ihr größter (politischer) Wunsch?
Dass wir Sinti und Roma als Menschen wie Du und ich wahrnehmen; dass wir die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Minderheit und Mehrheit als Bereicherung empfinden, Vorurteile ab- und Vertrauen aufbauen und so menschlich näher rücken können. Vor allem aber, dass die Geschichte des Nationalsozialismus sich niemals wiederholt.

Presse- und Interviewanfragen bitte an:

Stefanie Stein
Politycki & Partner
Literatur- und Pressebüro
Schulweg 16
20259 Hamburg
Tel: +49 (0)40 – 430 93 15-14
stefanie.stein@politycki-partner.de

Veranstaltungsanfragen bitte an:

Manuela Matella
Veranstaltungen und Events
Presseabteilung Goldmann Verlag
Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Straße 28
81673 München
Tel. +49 (0)89 – 4136-3731
manuela.matella@penguinrandomhouse.de

Links

https://www.politycki-partner.de/projekt/grossonkel-pauls-geigenbogen/

https://www.penguin.de/Buch/Grossonkel-Pauls-Geigenbogen/Alexandra-Senfft/Goldmann/e613319.rhd